Schach spielen in Edinburgh

Das längste Turnier dauerte vier Jahre: Der Edinburgh Chess Club feiert sein 200-jähriges Bestehen. Er ist der zweitälteste Schachverein der Welt.
17. Dezember 2024
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Schach! – Im ersten Stock eines Hauses in der Innenstadt von Edinburgh haben sich an diesem Dienstagabend rund zwei Dutzend Spieler eingefunden. Die meisten haben ihren Kopf über die Spieltische gesenkt. Es wird nicht viel geredet. Der karminrote Teppich auf dem Boden erstickt das Geräusch der Schritte. Über dem Kamin und an den Wänden hängen Schwarz-Weiß-Fotografien, die an den Rändern schon etwas vergilbt sind und aus einer Zeit stammen, als die Herren steife Kragen und Gehröcke trugen. Dies ist das Vereinsheim vom Edinburgh Chess Club, dem zweitältesten Schach-Club der Welt.

Er liegt in einer kleinen Seitenstraße in der historischen New Town, wo in diesem Jahr das 200-jährige Bestehen gefeiert wird. Doch Club-Präsident Neil Berry schaut nicht nur zurück, sondern auch nach vorne. Die Jugendmannschaft sei stark, und nach der Corona-Pandemie habe das Interesse am Schachspielen ohnehin wieder zugenommen, sagt er: „Wir verzeichnen einen Zulauf an neuen Mitgliedern.“

Der Edinburgh Chess Club geht auf eine Zeit zurück, als die europäische Kaffeehaus-Kultur auch in Großbritannien in Mode kam: Man traf sich nicht im Pub, sondern etwas gediegener – und hatte bei dieser Gelegenheit ein Schachbrett zur Hand. Im Jahr 1822 taten sich die Spieler erstmals zu einem Club zusammen. Nur im schweizerischen Zürich war man in dieser Hinsicht schneller: Dort gibt es den wohl ältesten Schach-Club der Welt.

Die Schachspieler aus Edinburgh suchten sich schnell einen starken Gegner: Im Jahr 1824 forderten sie die Konkurrenz aus London heraus. Der dortige Verein war nicht nur deutlich größer, sondern zählte auch einige der besten britischen Schachspieler zu seinen Mitgliedern. In Schottland hingegen spielten weitgehend unbekannte Amateure. „London als Gegner zu wählen, das wurde zu jener Zeit schon fast als Anmaßung angesehen“, sagt Neil. Der Sieger schien eigentlich schon vor Turnierbeginn festzustehen.

In einem Zeitalter ohne Telefon oder gar Internet wurden die Spielzüge von Postkutschen und Reitern überbracht. Die Briefe waren tagelang unterwegs. Bei einer Gelegenheit versuchten die Spieler, den Umschlag mit einem ihrer Spielzüge abzufangen und durch einen anderen zu ersetzen. Sie lieferten sich hitzige Wortgefechte mit dem Postbeamten, der das Schreiben nicht mehr herausrücken wollte. Die Öffentlichkeit fieberte mit. Jeder Spielzug wurde in Zeitungen und Journalen abgedruckt.

Es dauerte vier Jahre, bis der Edinburgh Chess Club – anders als von den meisten Zeitgenossen erwartet – einen Sieg vermelden konnte.

Die Trophäe sowie weitere Auszeichnungen und eine umfangreiche Bibliothek befinden sich in den clubeigenen Räumen. Dort erinnert man sich auch an die ersten Frauen, die sich zum Schachspielen trafen, angeführt von der schottischen Frauenrechtlerin Margaret Gibb.

Zu den bekanntesten Besuchern des Edinburgh Chess Club zählte der frühere Weltmeister Anatoly Karpov. Der bulgarische Großmeister Veselin Topalov trat bei einem Besuch im Jahr 2012 gegen zwanzig Spieler gleichzeitig an.

Zur 200-Jahr-Feier gab es im Sommer 2022 eine Neuauflage des legendären Turniers gegen London. Das Gewinnerteam stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Nur so viel ist sicher: Reiter und Postkutschen sind dieses Mal nicht im Spiel. „Das Internet hat doch vieles leichter gemacht“, sagt Club-Präsident Neil.

Info

Auch Nicht-Mitglieder sind in Edinburgh zum Schach spielen eingeladen. Am besten geeignet ist dazu der offene Abend jeden Dienstag ab 19.30 Uhr. 1 Alva Street edinburghchessclub.co.uk