Woher kommt das Wetter in Schottland?
Vom Atlantik. Das Wasser des Nordatlantik ist wegen des Golfstroms rund 10 Grad Celsius wärmer als es sonst bei Meerwasser in diesen Breitengraden üblich ist. Die Luft über dem warmen Wasser erwärmt sich. Und warme Luft enthält nun einmal mehr Feuchtigkeit: Wasserdampf steigt nach oben und formt vereinfacht gesagt Wolken, die durch verschiedene physikalische Prozesse immer größer werden.
Warum landen diese Wolken ausgerechnet immer in Schottland?
Die Erde dreht sich vom Nordpol aus betrachtet entgegen dem Uhrzeigersinn. Das sorgt dafür, dass der Wind meist aus Westen weht. Schottland hat 70 Prozent bis 80 Prozent Westwind. Wenn sich die Erde anders herum und im Uhrzeigersinn drehen würde, würde der Wind aus Osten wehen. Aber so ist es nun einmal nicht.
Und sobald diese Wolken auf die Highlands stoßen, fängt es an zu regnen?
Genau. Denken Sie an Gipfel von Glencoe, die Westhighlands oder die Gegend um Fort William. Sie blockieren den Zustrom an warmer Luft und entziehen ihr die Feuchtigkeit. Ich würde sagen, dass die schottischen Berge weltweit die effizientesten Regenproduzenten sind. Vergleichbar ist das höchstens mit ähnlichen klimatischen Bedingungen in Neuseeland. Das liegt an dem besonderen Zusammenspiel der Highlands mit dem Luftstrom vom Atlantik. Hinzu kommt, dass Regentropfen größer werden, wenn sie durch feuchte Luft hindurch fallen. Die Folge ist, dass es nicht nur häufiger regnet, sondern auch stärker. Im Durchschnitt würde ich sagen, dass der Westen Schottlands je nach den Umständen drei bis sechs Mal nasser ist, als der Osten. In einigen Regionen sind die Unterschiede sogar noch größer.
Also sollte man aus Wettersicht lieber im Osten Urlaub machen als an der Westküste?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Die Hebriden haben nicht genug Landmasse, um eigene Wettersysteme zu bilden. Die Wolken ziehen ungehindert darüber hinweg. Die Insel Tiree beispielsweise hat im Mai durchschnittlich 240 Sonnenstunden und ist damit sonniger als die Stadt Dunbar an der Ostküste, die für ihr gutes Klima bekannt ist. Außerdem weht der Wind ja manchmal auch Osten. Dann ist das Wetter im Westen gut. Und zwar nicht nur auf Tiree, sondern auch auf Skye, in Oban oder in der Stadt Ullapol. Ostwind erkennen Sie übrigens auch daran, dass Ben Nevis, der höchste Berg in Großbritannien, nicht von Wolken eingehüllt ist.
Typisch für Schottland ist nicht nur der Regen, sondern auch das unbeständige Wetter, bei dem sich Regen und Sonne, Wärme und Kälte schnell hintereinander abwechseln.
Auch das liegt am Nordatlantik. Schottland liegt ungefähr auf dem 55. Breitengrad. In dieser Höhe sind die Westwinde am stärksten. Sie tragen also ständig neue Wetterfronten heran. Nehmen Sie Deutschland zum Vergleich: Deutschland hat eine größere Landmasse. Sein Klima wird von der Sonne bestimmt. Das macht sich auch bei den Temperaturen bemerkbar….
…. inwiefern?
Gehen wir für Deutschland im Juli mal von einer einigermaßen stabilen Temperatur von 25 Grad Celsius bis 30 Grad Celsius aus. Im Winter rutscht das Thermometer in den Minusbereich. In Schottland dagegen haben wir im Sommer im Durchschnitt 15 Grand Celsius und im Winter durchschnittlich 5 Grad Celsius. Doch es ist gut möglich, dass die Temperaturen im Winter auch mal auf 15 Grad Celsius steigen. Die Temperaturen für Sommer und Winter überschneiden sich quasi.
Gibt es denn überhaupt eine ideale Reisezeit für Schottland?
Für den größten Teil Schottlands sind das die Monate April, Mai und Juni. Auf den Hebriden und in den westlichen Highlands beispielsweise ist es in diesen Monaten am trockensten und sonnigsten. Allerdings ist es im Juli und August deutlich wärmer. Dafür regnet es dann mehr. Das lockt dann die kleinen Stechfliegen (midges) an, die eine echte Plage sein können.
In Edinburgh und Aberdeen kann man an sonnigen Tagen Nebel in der Stadt beobachten, der sich vor die Sonne schiebt. Wie kommt es dazu?
Sie meinen den Haar. Dieser Nebel entsteht durch die Nähe zur Nordsee. Die warme, feuchte Luft kommt aus dem Westen und zieht weiter über die Nordsee. Das Nordseewasser aber ist kalt. Das bedeutet, dass die Feuchtigkeit in der Luft kondensiert und sich Nebel bildet. Besonders oft erlebt man das im Frühjahr, wenn die Nordsee nach dem Winter besonders kalt ist, weil sie sich noch nicht erwärmt hat. Dieses Phänomen findet man aber nicht nur in Edinburgh, sondern auch in Aberdeen und überall entlang der Ostküste.
Stimmt es eigentlich, dass es in den Highlands Föhn gibt wie in den Alpen?
Ja, das ist korrekt. Auch wenn wir im Englischen dafür kein Wort haben, was ich ein bisschen schade finde. Föhn besagt ja, dass sich feuchte Luft beim Überqueren eines Gebirges abkühlt und abregnet. Hat die trockene Luft das Gebirge überwunden, stürzt sie ins Tal und erwärmt sich dabei schnell. Dieses Phänomen gibt bei auch in Schottland. Es ist aber nicht so stark wie in den Alpen. Die Temperaturen steigen hier nur um drei oder vier Grad Celsius. Nicht um zehn Grad oder 15 Grad wie in Bayern. Aber die Alpen sind ja auch drei Mal so hoch wie die Highlands.
Gibt es eigentlich einen Zusammenhang zwischen Wetter und Kultur in Schottland?
Das ist eine interessante Frage. Wenn man sich Landkarten anschaut, dann sieht es so aus, dass es tatsächlich eine Verbindung gibt. Je mehr Sonne und weniger Regen eine Region aufzuweisen hat, desto wirtschaftlich erfolgreicher ist sie. Wobei es natürlich noch andere Faktoren gibt. So wird dort mehr Geld investiert, wo die Investition den größten Erfolg verspricht, wie das beispielsweise in den großen Städten oder bei landwirtschaftlich genutzten Flächen der Fall ist. Die Highlands und die Westküste sind aber nicht nur vom Wetter, sondern auch aus historischen Gründen benachteiligt.
THIS IS ABOUT THE MAN
Edward (Eddie) Graham ist Meteorologe an der Highlands and Islands Universität in Stornoway auf der Insel Lewis. Graham hat knapp sieben Jahre in der Schweiz verbracht und an der Universität Bern gearbeitet. Seine Doktorarbeit schrieb er an der Universität Fribourg. Das Interview führen wir teils in Englisch, teils in Schwiizerdütsch. Schnee mit blauem Himmel sei sein Lieblingswetter, sagt Graham. “Aber das kommt in Schottland leider nicht so oft vor.” Twitter: https://twitter.com/eddy_weather