In der Nacht des Massakers gab der Cousin des Clanchefs der MacDonalds of Glencoe – der Tacksman of Achnacon oder MacDonald of Achnacon – eine Party mit Gästen, darunter sein Bruder MacDonald of Achtriochtan. Sie tranken und spielten bis in die frühen Morgenstunden, bis die Feier um 5 Uhr morgens unterbrochen wurde, als eine Schusssalve der Regierungstruppen Fenster und Türen durchschlug und viele Gäste tötete.
Glencoe: Ein beliebtes Ausflugsziel
Glencoe ist ein Tal in den Highlands, das heutzutage bei Wanderern sehr beliebt ist. Einst war das Tal die Heimat der schottischen Clans, die ihren eigenen Regeln und Traditionen folgten.
Das Massaker ist bis heute aber auch deshalb unvergessen, weil der Mord an den MacDonalds besonders heimtückisch war. Denn zuvor hatten die Regierungssoldaten wochenlang mit den MacDonalds gemeinsam in deren Häusern in Glencoe überwintert. Man hatte gemeinsam die Schneestürme abgewartet, hatte Karten gespielt und zusammen gefeiert. Die MacDonalds hatten die Soldaten aufgenommen, weil sie sich den ungeschriebenen Gesetzen der Highlands verpflichtet fühlten, wonach jeder Fremde, der an die Tür klopft, auf Gastfreundschaft zählen kann. „Es war ein Verrat an den Traditionen der Highlands und an den MacDonalds“, sagte Karin Bowie von der Universität Glasgow in einer BBC-Radiosendung.
Die Drahtzieher wurden nie zur Verantwortung gezogen
Die politischen Folgen des Massakers waren erheblich. Die Drahtzieher des Massakers, die nie zur Verantwortung gezogen wurden, machten sich in den Folgejahren daran, den Zusammenschluss von England und Schottland zum „Vereinten Königreich“ zu verhandeln, und zwar mit Erfolg. Im Jahr 1707 wurde der Zusammenschluss zum „United Kingdom“ vereinbart, der noch immer Bestand hat. Damit bleibt das Massaker bis heute ein dunkler Fleck auf dem Vertragspapier für die politische Einheit von England und Schottland.
Bei den jüngsten archäologischen Ausgrabungen wurde das mit Torf ummauerte Haus von MacDonald of Achnacon freigelegt, und unter den Funden befanden sich verstreute Bronzemünzen aus dem 17. Jahrhundert, die möglicherweise der Erlös der verhängnisvollen Glücksspielnacht waren, die zu Beginn des Massakers verloren ging.
Sollte am Clan MacDonald ein Exempel statuiert werden?
MacDonald of Achnacon überlebte im Gegensatz zu seinem Bruder und wurde nach draußen gebracht, um von den Regierungssoldaten erschossen zu werden. Als diese jedoch das Feuer eröffneten, riss er sich seinen karierten Mantel vom Leib, warf ihn über seine Angreifer und floh in die winterliche Morgendunkelheit. Bei Ausgrabungen in der Nähe dieses Hauses fanden zwei Freiwillige bei der Ausgrabung 2024 eine verbogene karierte Anstecknadel und zwei Stücke von Musketenkugeln aus Blei; das Team glaubt, dass dies die Spuren von MacDonald von Achnacons Flucht sein könnten.
Über das Massaker von Glencoe ist viel geschrieben worden, und die Meinungen gehen dabei oft weit auseinander. Inzwischen gehen Wissenschaftler aber mehrheitlich davon aus, dass die MacDonalds in ihrer Heimat Glencoe das Bauernopfer in einem geopolitischen Schachspiel wurden, von dem sie in der Abgeschiedenheit der Highlands nicht einmal etwas ahnten.
Der englische König Wilhelm III. wollte die Highlands möglichst schnell befrieden, um mehr Truppen in einen Krieg mit Frankreich schicken zu können. In Südschottland verabscheute man außerdem die traditionelle Lebensweise der Highlander, die nicht mehr in die neue Zeit zu passen schien. Der Clan MacDonald war klein genug, um ohne Risiko ein Exempel statuieren zu können.
Der hier veröffentlichte Beitrag ist ein Auszug aus einem in Heft 10 erschienenen Text: https://www.schottland-magazin.de/produkt/schottland-magazin-heft-10/