Die Insel St. Kilda: Unesco-Weltkulturerbe mitten im Atlantik

Nach zahlreichen Urlauben in Schottland besuchten Monika und Miriam Wendel im Sommer 2017 die Insel St. Kilda, Unesco-Weltkulturerbe mitten im Atlantik. Sie sagen: „Absolutes Highlight dieser Reise war St. Kilda.“
19. Dezember 2024
Lesezeit: 5 Minute(n)

St. Kilda liegt so weit draußen auf dem Atlantik, dass das Archipel auf vielen Standardkarten für Schottland gar nicht auftaucht: Die Inselgruppe befindet sich rund 65 km westlich von Lewis und Harris. Sie besteht aus den Inseln Hirta, Soay, Dùn und Boreray, sowie aus Gesteinsspitzen (Stacs), die aus dem Meer ragen. St. Kilda ist einer der wichtigsten Brutplätze für Seevögel in Europa und hat den Status eines Unesco-Weltkulturerbes. Zwischen April und September werden dorthin Tagesausflüge angeboten.

Die Ausflugsboote legten vom Hafen Leverburgh auf der Insel Harris ab. Nach langer Überlegung entschieden wir uns dafür, die Tagestour nicht bereits zusammen mit unserer restlichen Reiseplanung ein Dreivierteljahr im Voraus zu buchen, sondern erst vor Ort über die Touristeninformation in Stornoway auf der Insel Lewis. Wir wollten zunächst die Wetterbedingungen vor Ort etwas besser einschätzen können. Uns war bewusst, dass die Fahrten bis dahin bereits ausgebucht sein könnten, doch wir hatten Glück: Auf einem Boot gab es noch freie Plätze.

St. Kilda hat ein einzigartiges Ökosystem

Um das einzigartige Ökosystem der Inseln nicht zu gefährden, werden die Besuchergruppen klein gehalten, entsprechend sind auch die Fahrten nach St. Kilda schnell für die gesamte Saison vergeben – trotz der Preise. Wetterbedingt können die Touren auch ganz ausfallen.

Pünktlich um 8.00 Uhr legten wir mit einem kleinen, für zwölf Passagiere ausgelegten Ausflugsboot von ‚Sea Harris‘ vom Pier in Leverburgh ab. Die Fahrt nach St. Kilda bei ausgezeichnetem Wetter und vergleichsweise ruhigem Seegang dauerte etwa zweieinhalb Stunden. Sie war ausgesprochen angenehm für die eine; für die andere von uns beiden waren es gefühlt die schlimmsten zweieinhalb Stunden überhaupt. Das lag weniger am Seegang, sondern eher an der schweren Luft in der Innenkabine in Kombination mit der schweren, warmen Rettungsweste, die aus Sicherheitsgründen während der gesamten Überfahrt zu tragen ist.

Als sich die grauen Silhouetten von St. Kilda dann allerdings vor uns aus dem Nebel schälten, verflogen die Beschwerden. Sie machten einer Euphorie Platz, die den gesamten Tag über anhalten sollte.

Die Insel St. Kilda: Unesco-Weltkulturerbe mitten im Atlantik
Die Insel St. Kilda: Unesco-Weltkulturerbe mitten im Atlantik

Wir setzten in kleinen Schlauchbooten über

Seit 1957 wird das Archipel vom Denkmalschutzamt National Trust for Scotland (NTS) verwaltet. Es genießt einen besonderen Schutzstatus als National Nature Reserve. Das britische Verteidigungsministerium (MOD) unterhält eine Radarstation auf der Hauptinsel Hirta.

Wir setzten mit einem Schlauchboot über. Dies geschieht, wie uns erklärt wurde, um sicherzustellen, dass keine inselfremden Kleintiere wie beispielsweise Ratten auf das Archipel gelangen können und die seltene Artenvielfalt gefährden.

Auf Hirta wurden wir von einem Ranger des National Trust begrüßt, der uns eine Broschüre mit einer detaillierten Karte aushändigte und uns Verhaltensregeln für den Aufenthalt mit auf den Weg gab. Danach konnten wir die Insel viereinhalb Stunden lang frei erkunden.

St. Kilda, Unesco-Weltkulturerbe mitten im Atlantik: Ein Museum gibt Einblick in das harte Leben der Inselbewohner

Als erstes sahen wir uns an der Bucht und im Dorf um. St. Kilda war mehrere tausend Jahre besiedelt. Die letzten Einwohner wurden im Jahr 1930 aufs schottische Festland gebracht. Die verlassene Siedlung besteht in erster Linie aus einer sich leicht biegenden Hauptstraße, an der entlang sich einige Blackhouses (Anm.d.Red.: traditionelle Wohnhäuser) aufreihen.

Ein kleines Museum gibt Einblick in das harte, entbehrungsreiche Leben der Inselbewohner, die sich zum großen Teil von Seevögeln ernährten. Selbst an jenem sonnigen Tag fiel kaum Tageslicht in das Häuschen. So faszinierend die Insel auch ist – es wurde uns bewusst, wie düster und bedrückend die kalten Herbst- und Wintermonate gewesen sein müssen.  

Das Bild der Insel prägen hunderte Steinhütten, die als Vorratskammern dienten und die Cleits bzw. Cleitean genannt werden. Heute werden darin keine Vorräte wie Eier, Vögel und Heu mehr gelagert; dafür  finden die wild lebenden Soay-Schafe dort Unterschlupf. Sie schießen mit einem überraschenden Tempo den Hang hinunter, zwischen den Häusern der Hauptstraße hindurch und an so manchem nichts ahnenden Besucher vorbei.

Vom ‚Village‘ aus stiegen wir auf einer befestigten Straße den Hang hinauf. Der Weg zog sich, doch er war jede Anstrengung wert, denn letztlich erreichten wir jenen Punkt, von wo aus man den atemberaubenden Postkartenblick auf die ‚Village Bay‘ hat. Wir blieben eine ganz Weile dort oben – gefesselt von dem Ort, der Aussicht, dem Gefühl der Freiheit, das einen dort oben unvermittelt packt, und machten uns nur widerwillig an den Abstieg.

Im Ausflugsboot zu den Vogelschutzgebieten

Bevor wir Hirta gegen 16:00 Uhr verließen, besorgten wir uns noch Postkarten aus dem kleinen, vom National Trust betriebenen Lädchen an der Anlegestelle und warfen diese in den St. Kilda-Briefkasten ein. Tatsächlich waren ausgerechnet diese Karten  vom gefühlten Ende der Welt die einzigen aus unserem Urlaub, die je bei unserer Familie in Deutschland ankommen sollten.

In der nächsten Stunde umrundeten wir mit dem Ausflugsboot noch die Inseln und Gesteinsformationen des restlichen Archipels und beobachteten die zahlreichen auf den Felsen nistenden Seevögel. Dann traten wir die zweieinhalbstündige Rückfahrt an.

Die letzten Umrisse von St. Kilda verschwanden in der Ferne hinter uns gerade so, als gäbe es dort nichts anderes als das offene Meer. Obwohl wir uns nicht länger als ein paar Stunden auf Hirta aufgehalten hatten, erfüllte uns doch ein seltsames Gefühl von Wehmut; vielleicht auch deshalb, weil man eine solche Reise im Leben wohl nur einmal macht.

Wenn Sie interessante Erlebnisse und Begegnungen auf Ihrer Reise hatten, behalten Sie diese nicht für sich. Schicken Sie uns Ihre Geschichte an: redaktion@schottland.co.

Der hier veröffentlichte Text ist in Heft 17 erschienen: https://schottland-magazin.de/produkt/schottland-magazin-heft-17/