Die Abtei auf der Insel Iona

Wo ist Schottland am schönsten? Wir haben den Journalisten und Autoren Maxwell MacLeod gefragt.
16. Dezember 2024
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Iona ist eine kleine Insel mit elfenbeinweißen Stränden, westlich der Isle of Mull. Für mich ist sie etwas ganz Besonderes: Mein Vater hat die berühmte Abtei von Iona quasi in Eigenregie renoviert und wieder aufgebaut.

Die Abtei geht auf das Jahr 563 zurück. Der irische Mönch St. Columba verbreitete von dort aus das Christentum in Schottland. Iona Abbey wurde im Laufe der Jahrhunderte so berühmt, dass viele schottische Könige auf dem Friedhof beerdigt wurden, darunter auch der legendäre Macbeth, der König aus dem gleichnamigen Drama von William Shakespeare.

Doch in den folgenden Jahrhunderten forderten die Zeit und die Witterung ihren Tribut; Wände stürzten ein, das Dach leckte, und der Verfall schien unaufhaltsam zu sein.

Iona Abbey war in einem desolaten Zustand, als mein Vater, George MacLeod of Fuinary, nach Iona kam, und ohne die besondere Lebensgeschichte meines Vaters wäre die Restaurierung wohl undenkbar gewesen.

Er war ein junger Oxford-Student, als er im ersten Weltkrieg eingezogen und an die Front geschickt wurde. Seine Aufgabe bestand darin, Listen über die jungen Männer zu führen, die in die Schlacht geschickt wurden, und zu protokollieren, wer von dort wieder zurückkehrte.

Mein Vater war neunzehn Jahre alt, er stammte aus den Highlands, und viele der Männer, die er in den Tod gehen sah, stammten ebenfalls aus den Highlands und von den Inseln, und er kannte viele von ihnen. Er hat das Grauen dieses Krieges hautnah miterlebt.

Nach dem Krieg gab es für ihn daher nur eines: Er wollte Priester werden. Er absolvierte die Ausbildung und wurde im Anschluss einer Kirche in einem sozialen Brennpunkt in Glasgow zugewiesen. Dort begann er, Freizeiten und Campingausflüge für benachteiligte Jugendliche und arbeitslose Menschen zu organisieren, um sie aus dem verräucherten Glasgow herauszuholen. Dieses Programm war ein großer Erfolg.

Doch dann brach der zweite Weltkrieg aus. Mein Vater suchte als überzeugter Pazifist Zuflucht auf der Insel Iona, er lebte in einer kleinen Hütte unterhalb der Abtei und weigerte sich, in irgendeiner Form am Kriegsgeschehen teilzunehmen.

Als der Krieg vorüber war, strömten Tausende Soldaten zurück nach Schottland. Sie erinnerten sich an den Seelsorger aus Glasgow, und sie schrieben ihm und fragten, ob sie zu ihm kommen könnten. Mein Vater zahlte nur fünfzig Pfund im Jahr, aber das schien niemanden zu stören. Er bot diesen jungen Männern, die auf der Suche nach Ruhe und Heilung waren, eine Aufgabe, und die Briefe strömten nur so herein.   

Dazu kam, dass die Menschen in Schottland Geschichten hören wollten, die Hoffnung verbreiteten, und in den Zeitungen erschienen immer mehr Artikel über die Männer auf Iona.

Das Projekt wuchs: Es tauchten gälisch sprechende Steinmetze auf, die die Mauern wieder aufbauten, junge Pfarrer und arbeitslose Werftarbeiter mischten Zement.

Es gab auch Gruppen von Jugendlichen, die in Zelten lebten und jeden Morgen im kalten Meer schwammen. „Stink or Swim“ (Müffeln oder Schwimmen) hieß es spaßhaft. Viele jugendliche Camper packten beim Wiederaufbau von Iona Abbey ebenfalls mit an.

Dabei stand nie die Religion im Vordergrund, der Akzent lag vielmehr auf Spaß und Gemeinschaft. Jede Woche gab es Tanzveranstaltungen in der Dorfhalle und ein Konzert, bei dem die Leute aufgefordert wurden, ein Lied zu singen, einen Tanz zu tanzen oder eine Geschichte zu erzählen.

Heute, achtzig Jahre später, ist Iona Abbey restauriert, und Besucher können diese über tausend Jahre alte Kirche besichtigen. Sie folgen dabei dem Weg, den die Pilger seit Jahrhunderten benutzen. Vier kunstvoll geschnitzte Kreuze aus dem 8. und 9. Jahrhundert standen einst in der Nähe der Abtei. Drei davon sind heute im Abtei-Museum zu besichtigen, während eines noch immer an seinem Platz steht.

Die Menschen, die an der Restaurierung mitgewirkt haben, blieben über eine Organisation namens Iona Community in Kontakt. Sie besteht fort und lädt noch heute Gäste und freiwillige Helfer ein, nach Iona zu kommen. iona.org.uk

Maxwell MacLeod

kennt die Menschen und Mythen der schottischen Westküste. „Ich bin ein Geschichtenerzähler“, sagt er über sich selbst. Eine seiner frühen Kindheitserinnerungen handelt davon, wie er mit seinem Vater am frühen Morgen im eiskalten Meer schwimmen geht.