Berwickshire Coastal Path
Der Berwickshire Coastal Path gehört zu den schönsten Küstenwanderwegen Großbritanniens.
Dieser Landstrich hat Reisende schon vor 200 Jahren begeistert: „Die Aussicht ist einfach atemberaubend. … Es ist stürmisch, und ein schweres Donnern ist weithin zu hören. Ein feiner Sprühregen erhebt sich über den schäumenden Wellenbrechern“, heißt es in einem Reisetagebuch aus dem Jahr 1820. Die Rede ist von der britischen Ostküste, der Grenzregion zwischen Schottland und England.
Wer von England aus zu diesem Küstenabschnitt reist, lässt die normannischen Burgen der Grafschaft Northumberland hinter sich. Nach Norden hin wechseln sich nun Hügel und Täler immer öfter ab, und man mag glauben, schon bald die schneebedeckten Gipfel der Highlands zu sehen.
Die Grenzregion zwischen Schottland und England ist weitgehend unentdeckt geblieben. Edinburgh liegt nur rund 50 Kilometer von der Küste entfernt und zieht viele Besucher an, die auf dem Weg in die schottische Hauptstadt keinen Zwischenstopp mehr einlegen wollen.
So bleibt man an der Küste unter sich und genießt den Blick auf die Klippen. Er macht den Berwickshire Coastal Path zu einem der schönsten Fernwanderwege Großbritanniens.
Berwickshire Coastal Path
Der Berwickshire Coastal Path hat eine Länge von rund 45 Kilometern, und der überwiegende Teil der Strecke befindet sich in Schottland. Die Route ist auf vier Tage ausgelegt, mit etwas Fitness ist sie aber auch in zwei Tagen zu schaffen. Der Berwickshire Coastal Path ist ein echter Geheimtipp – wie gemacht, um die schottisch-englische Grenzregion kennenzulernen.
In den Felsspalten der teilweise mehr als 90 Meter hohen Steilküste brüten Möwen und Tölpel. Im Hinterland blühen wilde Orchideen, und vom Festland aus sind Fischerboote zu sehen, die auf dem Meer dümpeln. Die Felsenwände sind dramatisch aufgeworfen und bilden einen interessanten Kontrast zu den sanften Wiesen, auf denen Wildblumen wachsen.
Die Häuser der Fischerdörfer sind Farbkleckse zwischen Meer und Fels. Auf den Wiesen im Hinterland grasen die besonders für Schottland so typischen Cheviot Schafe, die dafür bekannt sind, dass sie selbst mit rauer Witterung zurecht kommen. Ein Hinweisschild macht die Besucher auf seltene Insektenarten in dem teilweise als Naturreservat ausgewiesenen Gebiet aufmerksam.
Die Wegbeschreibung auf den folgenden Seiten folgt dem Wanderweg vom schottischen Cockburnspath bis nach Berwick-upon-Tweed in England.
Viele der genannten Sehenswürdigkeiten eignen sich auch als Tagesausflüge. Die Küste ist mit den Bussen der Linien 235 und 253 zu erreichen. In St. Abbs, Eyemouth und weiteren Fischerdörfern gibt es Cafés und Pubs. Entlang der Strecke sind B&B vorhanden. Eine Vorausbuchung wird empfohlen.
Infos: scotborders.gov.uk
Stichwort: Berwickshire Coastal Path
Tag Eins (12 km)
Von Cockburnspath nach Dowlaw
Nicht nur Wanderer kommen an der Küste von Berwickshire auf ihre Kosten, sondern auch – und vor allem – Geologen. Am ersten Tag führt die Strecke nämlich am Siccar Point vorbei; das ist die vielleicht wichtigste geologische Fundstätte der Welt. Dieser Ort wird mit James Hutton in Verbindung gebracht, dem Begründer der modernen Geologie. Zu Lebzeiten von James Hutton (1726-1797) glaubten die Menschen nämlich fest daran, dass die Welt an sieben Tagen erschaffen wurde, wie in der Bibel beschrieben. Hutton hingegen sah bei Siccar Point die Felsformationen aus dem Wasser ragen und ihm wurde klar, dass die Erde viel älter sein musste als seine Zeitgenossen vermuteten. James Hutton hatte mit dieser Erkenntnis für die Geologie eine ähnlich große Bedeutung wie Charles Darwin für die Biologie.
Sehenswert ist der Hafen von Cove. Früher wurden hier massenweise Heringe an Land gebracht. Mittlerweile dient die malerische Hafenanlage als Kulisse für Filmproduktionen mit Stars wie Judi Dench („James Bond“) oder Robbie Coltrane („Harry Potter“). Zum besonderen Charme von Cove trägt bei, dass der Strand über einen alten Tunnel aus dem 18. Jahrhundert zu erreichen ist.
Tag Zwei (10km) 1272
Von Dowlaw nach St. Abbs
Ein Höhepunkt des zweiten Tages sind St. Abbs und der gleichnamige Leuchtturm. Die Klippen bei St. Abbs Head sind rund einhundert Meter hoch und oft derart nebelverhangen, dass das eigentliche Leuchtturmlicht unterhalb in der Felswand verankert wurde und vom Leuchtturmwärter über Treppenstufen erreichbar war. Der Leuchtturm wurde im Jahr 1862 von den Ingenieuren David und Thomas Stevenson gebaut. Die Stevensons waren über mehrere Generationen hinweg die Leuchtturmbauer Schottlands. Der berühmteste Sohn der Familie ist der Schriftsteller Robert Louis Stevenson („Die Schatzinsel“).
Wie wichtig die Leuchttürme an der Ostküste waren, beweist das Beispiel von Fast Castle bei der Ortschaft Dowlaw. Die Burgruine aus dem 14. Jahrhundert liegt auf einer 45 Meter hohen Klippe. Die Burgherren nutzten ein rund 80 Meter breites Felsplateau, um die so gut wie uneinnehmbare Festung zu bauen, die nur über eine Zugbrücke zu erreichen war. Der Name stammt vom Wort „Fause“ für „False“ (engl. falsch). Es wird gesagt, dass sich die Burgbewohner ein ordentliches Zubrot damit verdienten, Lichter anzuzünden und damit Schiffe in die Irre zu führen, um sie anschließend auszuplündern. Die schottische Königin Maria Stuart besuchte Fast Castle im Jahr 1566. Wenige Jahrzehnte später lag die Burg in Ruinen.
Tag Drei (6 km)
Von St. Abbs nach Eyemouth
Dieser Streckenabschnitt ist kurz und besonders beliebt bei Tagesausflüglern, die nur einen Nachmittag Zeit haben, die Küste und die Fischerdörfer zu erkunden. Im Hafen von St. Abbs lohnt sich ein Besuch im Ebbcarrs Café, wo mit Blick aufs Wasser die traditionelle Fischsuppe Cullen Skink serviert wird. Coldingham war im frühen Mittelalter ein wichtiges religiöses Zentrum. Die Klosterruine in ihrer heutigen Form stammt aus dem 11. Jahrhundert. Hier hatten sich Benediktinermönche aus dem englischen Durham niedergelassen. Das Kloster geht aber auf eine deutlich ältere, angelsächsische Abtei aus dem 7. Jahrhundert zurück. Sie wurde im Jahr 870 von den Wikingern überfallen und zerstört.
Wikingerboote verbreiteten ab dem 8. Jahrhundert entlang der englischen und schottischen Küsten Angst und Schrecken, und auch Kirchen und Klöster wurden dabei nicht verschont.
Das Etappenziel dieses dritten Tages ist Eyemouth, die größte Stadt der Region. Im Ort befindet sich Gunsgreen House, das einstige Schmugglernest von John Nisbet (siehe Foto gegenüberliegende Seite). Dieser kam tagsüber als ehrbarer Bürger daher und brachte nachts heimlich Brandy und Tabak an Land. gunsgreenhouse.org
Tag Vier (17 km)
Von Eyemouth nach Berwick-upon-Tweed
Auf diesem Abschnitt passieren Wanderer die unsichtbare schottisch-englische Grenze – und das konnte heiratswilligen Paaren im 18. Jahrhundert gar nicht schnell genug gehen. Im Jahr 1754 wurde nämlich ein Gesetz erlassen, wonach die Eltern gegen die Hochzeitspläne ihrer Sprösslinge ein Veto einlegen konnten, wenn diese jünger als 21 Jahre alt waren. Diese Regel galt in England und Wales, aber nicht in Schottland. Die Folge war ein reger Heiratstourismus junger Liebespaare in Richtung Norden. Die Stadt Gretna Green ist bis heute bekannt für die vielen Trauungen ohne Zustimmung der Familie. Ähnliche Anlaufstellen gab es allerdings entlang der gesamten schottisch-englischen Grenze, und eine davon befand sich in Lamberton, rund 6,5 Kilometer von Berwick-upon-Tweed entfernt. Die Trauungen fanden damals im Old Toll House statt, das direkt an der Straße zwischen London nach Edinburgh lag. Das Haus selbst existiert nicht mehr, nur eine Inschrift erinnert daran. Die Grenzstadt Berwick-upon-Tweed markiert im Übrigen das Ende der Wanderung. Sie gehört seit dem Jahr 1482 zu England, doch die Verbindungen nach Schottland sind vielfältig. So nimmt beispielsweise der Berwick Rangers Football Club als englischer Fußballverein an der Scottish League teil.
Berwickshire Coastal Path